BRIDGE: Webbasierte Trainingstools zur Förderung des kritischen Umgangs mit Online-Informationen

Relevanz und Forschungsstand

Gerade im Zuge der Digitalisierung und der zunehmend zeit- und ortsunabhängig verlaufenden Bildungsprozesse ist der kritische Umgang mit Online-Informationen ein zentraler Faktor, welcher sich förderlich oder hinderlich (bspw. im Sinne einer „Missinformation“) auf Lern- und Arbeitsprozesse auswirken kann. Insbesondere in den Arbeitsprozessen der Berufe Medizin, Recht und Lehramt wird der kritische Umgang mit Online-Informationen bei der Erstellung konkreter ‚Handlungs‘produkte, wie juristischen oder klinischen Fallberichten, als hochrelevante berufspraktische Kompetenzfacette angesehen (Medizin: Kuhn et al. 2018; Recht: Schärtl 2018; Lehramt: Bäsler 2019).

Demgegenüber wurden Assessments und Lehr-Lernprogramme zum kritischen Umgang mit Online-Informationen bislang nur unzureichend erforscht und erprobt (z.B. Steffens et al. 2017) bzw. weisen Limitationen auf. Eine aktuelle Analyse bisheriger Instrumente zur Erfassung der digitalen Medienkompetenzen zeigt unter anderem, dass diese sich häufig auf einzelne Medientypen bzw. –komponenten beschränken oder die Mediennutzung nur deklarativ oder retrospektiv in Form von Selbsteinschätzungen erfassen (Gadiraju et al. 2018; Yu et al. 2018). Somit sind bislang nur sehr eingeschränkt valide Aussagen über die tatsächliche, periaktionale Nutzung von Online-Informationen sowie deren Entwicklung und Förderbarkeit möglich.

Projektziel

Das Drittmittelprojekt „Berufspraktische Bildungsprozesse im Recht- und Lehramtsreferendariat sowie der Medizin unter Nutzung digitaler Medien [BRIDGE]“ greift dieses bildungs- und berufspraktisch hochrelevante Forschungsdesiderat auf und hat zum Ziel, die Entwicklung und Förderbarkeit des kritischen Umgangs mit Online-Informationen in berufspraktischen Bildungsprozessen ökologisch valide sowie prozess-/ergebnisbezogen zu erfassen und umfassend methodenintegrativ zu analysieren.

Webbasierte Trainings- und Testumgebung

Im Rahmen des Projektes wird eine webbasierte Lern- und Assessmentumgebung in Microsoft Azure zum Training und zur simultanen Erfassung des kritischen Umgangs mit Online-Informationen konzeptioniert und implementiert.

Zur ökologisch validen Erfassung der Zielkonstrukte (kritischer Umgang mit fachübergreifenden und berufsspezifischen Online-Informationen) soll in dieser Trainingsumgebung - anknüpfend an die oben skizzierten Forschungsdesiderate – eine periaktionale Aufzeichnung von Prozess- (Logdaten, Browsingmuster, genutzte Online-Quellen, Blickbewegungen und Bildschirmaufnahmen) sowie Ergebnisdaten (erstellte Fallberichte) gewährleistet werden. Das schließt u.a. mit ein, das Verhalten in einer offenen Web-Suche zu erfassen und abzubilden, welche Webseiten besucht wurden, welche Inhalte angeschaut wurden, ob ggf. Textabschnitte kopiert und in die Aufgabe eingefügt wurden usw.; dies wird im Zusammenhang mit genauen Zeitstempeln erfasst, um auch die Abfolge der einzelnen Aktivitäten abbilden zu können. Zum Training der Nutzung von Online-Information wird auf das US-weit validierte CORA-Assessment (Civic Online Reasoning Assessment; McGrew et al., 2019; Wineburg et al., 2018)

Die Daten werden anschließend teilautomatisiert und in Kooperation mit einschlägigen Praxispartnern fachspezifisch ausgewertet werden. Anhand der periaktionalen Daten erfolgt mittels Prä-Post-Messung unter Kontrolle mehrerer Außenkriterien (wie den Abschlussnoten des 2. Staatsexamens) eine ganzheitliche, ökologisch valide Wirksamkeitsanalyse des digitalen CORA-Trainings auf die Entwicklung von des kritischen Umgangs mit Online-Informationen zur Aufgabenbewältigung in der berufspraktischen Phase.

Literaturverweise

Bäsler, S.-A. (2019). Lernen und Lehren mit Medien und über Medien: Der mediale Habitus und die Ausbildung medienpädagogischer Kompetenz bei angehenden Lehrkräften [Dissertation]. Berlin: Technische Universität Berlin.

Kuhn, S., Kadioglu, D., Deutsch, K., & Michl, S. (2018). Data Literacy in der Medizin. Der Onkologe, 24(5), 368–377. https://doi.org/10.1007/s00761-018-0344-9

McGrew, S., Breakstone, J., Ortega, T., Smith, M., & Wineburg, S. (2018). Can Students Evaluate Online Sources? Learning From Assessments of Civic Online Reasoning. Theory & Research in Social Education, 46(2), 165–193. https://doi.org/10.1080/00933104.2017.1416320

Schärtl, C. (2018). Die fortschreitende Digitalisierung als Herausforderung für die moderne Hochschullehre. Zeitschrift Für Didaktik Der Rechtswissenschaft, 5(4), 336–348. https://doi.org/10.5771/2196-7261-2018-4-336

Steffens, Y., Schmitt, I. L., & Aßmann, S. (2017). Mediennutzung Studierender: Über den Umgang mit Medien in hochschulischen Kontexten. Systematisches Review nationaler und internationaler Studien zur Mediennutzung Studierender. Bochum: Universität Bochum.

Wineburg, S. S., Breakstone, J., McGrew, S. & Ortega, S. (2018).Why Google Can't Save Us. The Challenges of our Post-Gutenberg Moment. In O. Zlatkin-Troitschanskaia, G. Wittum & A. Dengel (Eds.), Positive Learning in the Age of Information (pp. 221–228). Wiesbaden: Springer VS.

Yu, R. et al. (2018). Predicting User Knowledge Gain in Informational Search Sessions, 75–84. https://doi.org/10.1145/3209978.3210064