Flipped-Classroom in empirischen Methodenveranstaltungen


Ausgangslage:

Die Veranstaltung „Methodische Grundlagen der Diagnostik, Evaluation und Assessment“ ist ein Pflichtmodul im fünften Fachsemester des B.Sc. Wirtschaftspädagogik (Modulhandbuch).Sie befähigt Studierende, empirische Untersuchungen in bildungswissenschaftlichen Kontexten zu planen, durchzuführen und auszuwerten. Die Lehrveranstaltung eröffnet den Studierenden somit essenzielle Kompetenzen zur Erstellung von Seminar- und Abschlussarbeiten.
Zugleich kommen die Studierenden in diesem Modul zum ersten Mal mit konkreten bildungswissenschaftlich empirischen Problemstellungen und Methoden in Kontakt und sollen die umfangreichen Skills zu deren Bewältigung in einer einsemestrigen Lehrveranstaltung zu erlernen. Somit muss in der Lehrveranstaltung zunächst ein hinreichendes deklaratives und prozedurales Wissensgerüst für die konkreten Berechnungen an realen Datensätzen geschaffen werden. Aufgrund der Kürze eines Semesters und der noch nicht vorhandenen Vorkenntnisse lassen traditionelle Lehr-Lern-Arrangements jedoch kaum Gelegenheit für eine anschließende, praktische Anwendung dieser Wissensstrukturen in konstruktivistischen Lern- und Feedbackschleifen. Somit blieb bislang die tiefgehende Bearbeitung der empirischen Problemstellungen aus, wodurch Vergessenseffekte in nachfolgenden Lehrveranstaltungen zu beobachten waren.

Struktur der Flipped-Classroom-Veranstaltung:

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, erfolgte eine Umstellung der Lehrveranstaltung „Methodische Grundlagen der Diagnostik, Evaluation und Assessment“ in ein durch Blended-Learning unterstütztes, dreiteiliges Lehrkonzept nach dem Flipped-Classroom-Prinzip.

 

 

Struktur des Flipped-Classrooms

Die inhaltlichen Themenblöcke sind anhand eines idealtypischen Forschungskreislaufes (Forschungsstandrecherche, Instrumentenentwicklung, deskriptive und induktive Datenauswertung, Implikationen) strukturiert.

  1. Theoretisch konzeptionelle Einführung in einen Themenblock (z. B. einfache lineare Regression) zum Ende eines Veranstaltungstermins
  2. Übungsquizze und Lernvideos zur selbstständigen Bearbeitung durch die Studierenden
  3. Besprechung der Lernvideos und Quizaufgaben sowie Klärung offener Fragen zu Beginn des nachfolgenden Veranstaltungstermins
  4. Anwendung und Vertiefung des erlernten Wissens in angeleiteten Tutorials vor Ort mit der Statistiksoftware SPSS und dazugehörigen Anwendungsaufgaben vertieft
  5. Zusammenfassung und Problematisierung der wichtigsten Aspekte zum Ende des Veranstaltungstermins und Themenblocks
  6. Beginn eines neuen Themenblocks (Schritte 1 - 5 starten erneut)

Portfolios zur ganzheitlichen Kompetenzerfassung:

Zusätzlich wird in zwei Präsenzveranstaltungen zum Ende des Semesters, basierend auf den erworbenen theoretischen und praktischen Kompetenzen, in Partnerarbeit ein Portfolio bearbeitet. Dabei erfolgt eine tiefgehende Auseinandersetzung mit bildungswissenschaftlichen Forschungsartikeln anhand von Leitfragen in Bezug auf eine vorher selbstgewählte Analysemethode. Zunächst wird das erworbene Wissen mit den Inhalten der Forschungsartikel verknüpft, indem die Studierenden z.B. Hypothesen aus den Artikeln formulieren, Regressionskoeffizienten und Signifikanzen aus Tabellen interpretieren sowie Implikationen aus den Studien ableiten.
Daran knüpft ein praktischer Aufgabenteil an, in dem die Studierenden mit einem zur Verfügung gestellten Datensatz die Befunde aus den Artikeln in eigenen Analysen praktisch anwenden und kreuzvalidieren. Die Analyse der Datensätze erfolgt auf Basis von realen Daten, die entsprechend anonymisiert an der JGU Mainz erhoben wurden. Dieser Datensatz umfasst ca. 1.000 Proband*innen unterschiedlicher Studiengänge der Universität Mainz.


Bisherige Erfahrungen:

Die durchgeführten Lehrevaluationen lassen auf eine hohe Akzeptanz der umgestalteten Lehrveranstaltung schließen. Insbesondere bei den Abschlussseminaren (u.a. Bachelorseminar) haben die Studierenden deutlich weniger Berührungsängste mit statistischen Fragestellungen und Datenanalysen. Kritisch sei noch anzumerken, dass das vorgestellte Konzept ein gewisses Maß an Selbstregulation, Motivation und Interesse der Studierenden voraussetzt. Somit ist eine entsprechende Kommunikation der Erwartungshaltung in der Veranstaltung, eine klare Strukturierung der Lernziele und ggfs. eine zusätzliche Form der Incentivierung angeraten.


Beispielaufgaben aus den E-Quizzen und den Portfolios: